Mitternachtsblitz im Yosemite

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich als Jugendlicher – gerade frisch in den Klettersport verliebter Bursch – die Kletterfilme vom kalifornischen Yosemite Valley bestaunte. Am Limit von den Huber’s, Aufnahmen von Ron Kauk, Dean Potter und wie sie alle heißen. Ein Tal, das für wilde Typen, Freiheit, Partys… und harte Big Walls bekannt war. Doch neben all den historischen Meilensteinen an den großen Wänden, findet sich hier auch ein wahres Boulder-Mekka. Eingebettet in den idyllischen Wald reihen sich hier einige der besten Probleme Kaliforniens aneinander.
Internationale Bekanntheit erreichte der 1978 von Ron Kauk erstbegangene Boulder ‚Midnight Lightning‘. Benannt nach einem Song von Jimi Hendrix – aber auch, weil der Schlüsselgriff einem Blitz ähnelt. 

Als wir 2018 einen dreiwöchigen Trip durch Kalifornien unternahmen, stand natürlich auch das Yosemite Valley auf dem erstellten Reiseprogramm. Nach etlichen Tagen in San Francisco, Mammoth und Bishop waren wir gut eingeklettert und hatten uns so richtig an das amerikanische Flair gewöhnt. Unsere Lager – besser gesagt den ausgeliehenen Camper – parkten wir dort, wo es uns am besten gefiel. Aufstehen, Frühstücken, Kaffee trinken, Klettern, Kochen, Flanieren… und am nächsten Tag das Gleiche von vorne.

Unser nächster Stop: Yosemite!

Links Wände, rechts Wände und in der Mitte liegen Blöcke. Während der Fahrt vom Tioga Pass Richtung Valley stand mein Mund vermutlich durchgehend offen. Die Landschaft, die Felsqualität und die Dimensionen sind schlicht weg beeindruckend und faszinierend.

Kaum im Valley angekommen und noch müde von der 5 stündigen Autofahrt, ging es dennoch, auf direktem Weg Richtung Camp4.
Inmitten des wohl bekanntesten Kletter-Campingplatzes der Welt soll er also stehen, der bekannteste Boulder der Welt.  Ein mit Magnesium an die Wand gezeichneter Blitz gibt die Sicherheit: ‚Midnight Lightning’ ist direkt vor unseren Nasen. 


Leider hatte ich nur eine einzige Bouldermatte mit im Gepäck, was mich aufgrund der Höhe – vor allem aufgrund der doch recht hohen Crux – leicht einschüchterte. Zu meinem Glück waren gerade drei japanische Dudes – bepackt mit mindestens 5 Matten –  auf dem Weg durch das Camp. Netterweise stellten sie mir die Pads zur Verfügung. Spotten inbegriffen. 

Zu euphorisch und viel zu motiviert um aufzuwärmen, legte ich sofort Hand an. Beim ersten Versuch bin ich bis zum dynamischen Zug kurz vor der Dachkante geklettert, konnte den Schwung allerdings nicht abfangen.

Der zweite Anlauf war wirklich gut. Die erste Passage und der dynamische Zug klappten recht locker. Trotzdem bin ich beim Mantle abgeflogen. Der Fuß war einfach zu schlecht positioniert und die Gefahr auf dem polierten Tritt abzurutschen und unkontrolliert abzutauchen war mir zu groß. Im dritten Versuch konnte ich den dynamischen Zug statisch lösen und die Beine blieben ohne zu schwingen auf den Tritten stehen. . .

. . guter Griff an der Kante – rechts auf Untergriff drehen – links in Stützposition wechseln – dem abschüssigen Tritt an der Kante vertrauen – pressen –  drücken – noch mehr drücken – rechts auf die Leiste – linker Fuß über die Kante . . .


Die Ausstiegsplatte ist zwar nicht mehr schwer, aber hoch. Voller Vertrauen in meine Freundin und ihre japanischen Spotter-Kollegen stellten die restlichen Meter aber keine Probleme mehr dar. Zuerst pusten – die Griffe von den Nadeln des Baumes befreien – und danach weiter bis zum Top.  Ein paar Minuten später stand ich mit einem fetten Grinsen wieder am Boden. ‚Midnight Lightning‘ (V8) ist abgehakt!

Natürlich ist es nicht der schwerste Boulder den ich bis jetzt klettern durfte. Aber alleine die Tatsache, dass Ron Kauk 1978 (!) die Vision hatte, solch einen Block zu begehen fasziniert mich. Ein kleiner Jugendtraum hatte sich gerade verwirklicht. Genau das ist der Grund, warum ich den Klettersport so genial finde.

Sind es doch die kleinen Sachen, die einem ein glückliches Lächeln ins Gesicht zaubern. Damals am Tag der Begehung, sowie heute beim schreiben dieses kurzen Textes.

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