Now or Never – Erstbegehung

“Now or Never” (M5 / 70° Schnee) – Erstbegehung – Hoher Göll 

Schon länger spielten wir – Rudi und Ich – mit dem Gedanken, eine neue Route durch die massive und mächtige Ostwand des Hohen Göll zu eröffnen. Da die Bedingungen in so einer Wand sehr speziell sind und nur äußerst selten „vertretbare“ Verhältnisse aufweisen, muss man im Falle des Falles die Gelegenheit beim Schopf packen und zeitnahe einsteigen. Nach genauer Beobachtung der Wetterlage und der Bedingungen war uns klar, dass der Moment der Begierde gekommen ist. Unser Ziel: eine anspruchsvolle, lange und direkte Linie durch den linken Teil der Wand in einem fairen und sauberen Stil! 

Um sicherzugehen, dass wir uns leicht und schnell fortbewegen können, haben wir unsere Rucksäcke und das Material auf das allernötigste reduziert. Bei 1800 anspruchsvollen Höhenmetern im Aufstieg ist definitiv jedes unnütze Gramm spürbar. Einziger Kompromiss: auf die Rucksäcke geschnallte Tourenski. Im Nachhinein gesehen eine absolut richtige Entscheidung, denn auch wenn die Kletterpassagen mit den Steigeisen auf den Skischuhen um einiges unangenehmer waren, hat sie uns mit großer Wahrscheinlichkeit eine kalte und lange Biwak-Nacht am Gipfel erspart.

 

Der erste „Felsvorbau“ war von anspruchsvoller und relativ schwerer Mixed-Kletterei bestimmt. Durch die spärliche Absicherung – es wurden ausschließlich mobile Sicherungsmittel verwendet – und den teilweise blanken Fels, war es ein richtiger „Kaltstart“. Die Absicherung im geschlossenen Göll-Kalk bedarf einiger Kreativität und Erfahrung. Gerade bei den Standplätzen muss man die Augen aufmachen und etwas „basteln“. Rudi hat hier wirklich eine super Führungsarbeit geleistet. Die erste und dritte Seillänge war in Punkto Eisqualität und Gesamtcharakter absolut genial und einzigartig

 

Die oberen zwei Drittel waren von anspruchsvoller, steiler und kräfteraubender Stapferei in Flanken, Rinnen und Graten bestimmt. In der Wandmitte haben wir – in geschützter Lage unter einem Block – eine kurze, aber wichtige Pause zum Auffüllen unserer Speicher eingelegt. Wasser kochen, Riegel essen und Handschuhe wechseln. Da wir noch mehrere hundert vertikale Meter vor uns hatten, war es keine allzu lange, aber gute Rast. 
Die nachfolgenden Flanken waren von unterschiedlichsten Schnee- und Eisvarianten geprägt. Besonders die Übergänge zu den Grat- und Felspassagen waren aufgrund des weicheren Schnees teilweise extrem mühsam und tricky. Über die Linienwahl und Co. waren wir uns während der gesamten Route immer zu 100 Prozent einig – Teamwork par excellence! 



Da gegenseitiges Sichern in der oberen Hälfte nicht mehr möglich – zu wenig Eis für Schrauben und kein Fels für mobile Sicherungsmittel – und ein Klettern am kurzen Seil sinnlos bzw. zu riskant war, entschlossen wir uns seilfrei weiter zu klettern. Eine gute und vor allem weniger risikoreiche Variante, denn ein Sturz am kurzen Seil wäre hier wohl unhaltbar und die Folge eines Seilschafts-Sturzes unumgänglich gewesen.

Um etwa 16:30 Uhr haben wir endlich das „Gipfel Coloire“ erreicht. Die etwa fünf Meter breite Rinne bildet das Grande Finale mit direktem Weg zum „Kuchler Kreuz“. Nach 10 Stunden non-stop-Klettern standen wir gegen 17:30 Uhr glücklich, aber hundemüde am Gipfel. Viel Zeit zum Rasten blieb aber auch hier nicht, denn die Abfahrt über das sogenannte „Alpeltal“ sollte nochmal spannender werden als anfänglich angenommen.

 Durch die extrem eisigen Verhältnisse war die Abfahrt weniger „Genuss als Muss“. An lässige Schwünge auf dem Weg ins Tal war mit den leeren Beinen im kleinen Lichtkegel unserer Stirnlampen leider nicht mehr wirklich zu denken. Die letzten 400 Höhenmeter haben wir – aufgrund der geringen Schneeauflage und der unfassbar blanken und eisigen Verhältnisse – zu Fuß und mit Steigeisen zurückgelegt. Wenige Meter zuvor hatte ich noch einen etwas unsanften Steinkontakt, den mein Ski leider nicht überstanden hat. Kantenbruch, aber glücklicher Weise kein Sturz. Wieder einmal eine kleine Erinnerung an ein gutes altes Sprichwort: zu Ende ist es erst, wenn man unten ist! 

Nach 14 Stunden standen wir schließlich vor dem Auto meiner Mutter, die uns dankenswerter Weise in Hinterbrand abgeholt und retour zum Ausgangspunkt nach Kuchl Gasteig gebracht hat.

Hundemüde, aber mit strahlenden Gesichtern ging ein genialer Tag auf unserem Hausberg zu Ende!

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